Tuesday, November 15, 2011

Der Holocaust-Leugner und Judeophobe Gilad Atzmon wird salonfähig gemacht.

Offener Brief an den Verein Jazzfestival Göttingen e.V.

Sehr geehrte Jazzfestival-Organisatoren
Als langjähriger antizionistischer israelischer Friedensaktivist bin ich entsetzt über Ihre Gastfreundschaft gegenüber dem Judeophoben und Holocaust-Leugner Gilad Atzmon.


Ohne Zweifel bildet der Rassismus ein Hauptproblem des Nahostkonfliktes, aber auch der deutschen Vergangenheit. Die berechtigte und notwendige Kritik gegenüber den rassistischen zionistischen Strukturen und Handlungen darf aber auf keinen Fall die Übernahme von judeophoben Vorurteilen bedeuten. Die Bekämpfung einer Art von Rassismus darf nicht mittels einer anderen rassistischen Form geführt werden.
Die wachsende Popularität  von Gilad Atzmon und seinem menschenverachtenden Gedankengut auch in Deutschland (s. beispielsweise Arte) demonstriert einmal mehr, wie schlecht und verlogen in diesem Land die Vergangenheit verarbeitet wird und wie anfällig auch Linke und Friedensbefürworter für rassistische Schwarzweissmalerei sind.
Ableger "Café Palestine" der Gesellschaft Schweiz Palästina spielt Gastgeber für Atzmon


Mitschuldig an dieser Misere sind  zweifelsohne auch Personen, Organisationen bzw. das offizielle Israel, welche allzu schnell und gerne die tödliche Antisemitismus-Keule schwingen. Sodass manche aus lauter Überdruss und Abscheu echte und krasse Judeophobie nicht mehr identifizieren können oder wollen. Es entsteht der falsche Eindruck, dass der Antisemitismus-Vorwurf lediglich ein Mittel sei, um unliebsame Kritik mundtot zu machen.
So einfach ist die Sache aber nicht. Es gibt in der Tat rassistische Vorurteile gegenüber Juden und diese Voreingenommenheit ist überall zu finden, nicht zuletzt auch bei unkritischen Israel-Anhängern. Dies schreibe ich als jemand, der seit Jahren einen sehr hohen Preis für meine Wahrheits-, Gerechtigkeits- und Friedenssuche bezahle und mich dabei immer wieder in Tabuzonen jüdischer, arabischer, deutscher, schweizerischer u.a. Gesellschaften bewege. 
Es stellt sich die Frage, wo also die Grenze der Kritik an Israel bzw. an jüdischen Organisationen und Personen liegen. Die Antwort ist theoretisch sehr einfach: Die Grenze liegt genau dort, wo die sachliche Argumentation aufhört und die rassistischen Vorurteile Oberhand gewinnen. Deshalb benötigt es eine konstante Reflexion, Selbstkritik und rigorose Prüfung von Fakten und Meinungen. Auch sogenannte Experten können sich irren und sich als falsche Propheten entpuppen. Dies betrifft auch vermeintliche jüdische "Kronzeugen", hinter denen allzu oft mehrere nicht-Juden ihre eigenen Vorurteile und Unsicherheit zu
verstecken suchen.

Jetzt wieder direkt zu Gilad Atzmon:

Sie schreiben in Ihrer Presseerklärung:

«Wir möchten in aller Deutlichkeit klar stellen, dass wir eine Verharmlosung des Nationalsozialismus bei Gilad Atzmon absolut nicht entdecken können; sie würde von uns im Verein nie und nimmer geteilt oder geduldet. Als Veranstalter eines Jazzfestivals bieten wir ein Forum für Musik, sicher aber kein Podium für Verharmlosung und Hetze
http://www.jazzfestival-goettingen.de/uploads/media/Presseerklaerung_Jazzfestival_Goettingen_e.V._2.112011.pdf

Offensichtlich haben Sie eine Leseschwierigkeit, eine selektive Wahrnehmung bzw. Mühe mit einer anständigen Recherche. Dabei ist das Internet voll von krassen üblen Mustern, wie Atzmon z.B. den Holocaust leugnet:
Hier eine Reaktion des Auschwitz-Überlebenden Hajo Meyer, der auch lange seine Augen verschloss und Atzmon unterstützte - bis auch ihm folgende Passage bei Atzmon auffiel:
«If, for instance, the Nazis wanted the Jews out of their Reich (Judenrein - free of Jews), or even dead, as the Zionist narrative insists, how come they marched hundreds of thousands of them back into the Reich at the end of the war?’ ‘If [fett und gelb von mir - se] the Nazis ran a death factory in Auschwitz-Birkenau, why would the Jewish prisoners join them at the end of the war? ‘We should ask for some conclusive historical evidence and arguments rather than follow a religious narrative...’ ‘Why were the Jews hated? Why did European people stand up against their next-door neighbours? Why are the Jews hated in the Middle East.’»
[ http://www.gilad.co.uk/writings/truth-history-and-integrity-by-gilad-atzmon.html ]
Hajo sollte an einer Konferenz in Freiburg teilnehmen, deren Hauptzweck es war, Atzmon in Deutschland salonfähiger zu machen. Hajos Absage an die Organisatorin, Dr. Gabi Weber,  kann im Internet nachgelesen werden:
«From: "hajo g. meyer"
Date: Wed, 3 Aug 2011 13:41:18 +0200
To: 'gabi weber'
Cc: 'Alan Hart' ,
Subject: GA's holocaust denial

'‘If, for instance, the Nazis wanted the Jews out of their Reich (Judenrein - free of Jews), or even dead, as the Zionist narrative insists, how come they marched hundreds of thousands of them back into the Reich at the end of the war?’ ‘If the Nazis ran a death factory in Auschwitz-Birkenau, why would the Jewish prisoners join them at the end of the war? ‘We should ask for some conclusive historical evidence and arguments rather than follow a religious narrative...’ ‘Why were the Jews hated? Why did European people stand up against their next-door neighbours? Why are the Jews hated in the Middle East.
[ http://www.gilad.co.uk/writings/truth-history-and-integrity-by-gilad-atzmon.html ] 
Dear Gabi,
If this text is indeed from GA’s hand, there is only one way that he and I can be on the same conference together: viz. he distances himself loud and clearly and for 100% from it at the very start of the conference or I leave the conference after having made a public statement why I do that. This is because if he means this text is valid it implies that I, who saw the smoke from the crematoria, saw the gas chambers and smelled the burnt human flesh and was forced to march with the SS to the east, am implied by his text to be a liar who put the number on his arm in order to make himself interesting. Actually I gave you a similar comment on this text quite a while ago.
I am very, very sorry that I make life difficult for you but I cannot bear to be in any way associated which such a text by a lunatic. Why does he not deny that the earth is round and that there was ever a First World War.
Actually I once published my opinion that holocaust deniers should be put into a lunatic asylum and not into prison. Because they are either full fledged lunatics or they are under influence of drugs and alcohol and need anti addiction treatment.
Sorry for making life difficult for you but there are limits to what I can tolerate.
Cordial regards Hajo»

Dass es sich nicht nur um einen einmaligen Ausrutscher Atzmons handelt, beweist u.a. auch das folgende Müsterchen:
2007 schrieb er:
«The Scholars who are engaged in the study of the Holocaust religion (theology, ideology and historicity), are engaged mainly with structural formulations, its meanings, its rhetoric and its historical interpretation. Some happen to search for the theological dialectic (Marc Ellis), others formulate the commandments (Adi Ofir), some learn its historical evolution (Lenni Brenner), other expose its financial infrastructure (Finkelstein). Interestingly enough, most scholars who are engaged in the subject of Holocaust religion are engaged with a list of events that happened between 1933-1945. Most of the scholars are themselves orthodox observants. Though they may be critical of different aspects of the exploitation of the Holocaust, they all accept the validity of the Nazi Judeocide and its mainstream interpretations and implications. Most of the scholars, if not all of them, do not challenge the Zionist narrative, namely Nazi Judeocide, yet, more than a few are critical of the way Jewish and Zionist institutes employ the Holocaust. Though some may dispute the numbers (Shraga Elam), and others question the validity of memory (Ellis, Finkelstein), no one goes as far as revisionism, not a single Holocaust religion scholar dares engage in a dialogue with the so-called 'deniers' to discuss their vision of the events or any other revisionist scholarship.»
http://www.gilad.co.uk/writings/purim-special-from-esther-to-aipac-by-gilad-atzmon.html
Ich muss zuerst auf meine eigenen Publikationen zum Thema Holocaust-Religion (meine Wortschöpfung für dieses Phänomen) hinweisen. Die ersten waren 1994 auf englisch und deutsch, später (
2000) folgte eine Veröffentlichung in der Schweizer Berner Zeitung, im inzwischen eingestellten israelisch-palästinensischen Magazin Between the Line (2001), in einem Münchner Vortrag (2002) und zuletzt einem längeren englischen Internet-Beitrag (2005).
Was wirft Atzmon uns sog. Holocaust-Religion scholars (fast alle Antizionisten) vor?
1)      they all accept the validity of the Nazi Judeocide and its mainstream interpretations and implications. Most of the scholars, if not all of them, do not challenge the Zionist narrative, namely Nazi Judeocide…
2)       no one goes as far as revisionism.
3)       dass wir keinen Dialog mit den "sog. Leugnern" führen, um ihre "Vision" und Interpretation zu diskutieren.

Im Klartext wirft Atzmon uns vor, dass wir den NS-Judeozid als solchen, den er als eine lediglich zionistische Fiktion/Narrative bezeichnet, nicht in Frage stellen bzw. nicht leugnen. Man muss nicht einmal die Schriften aller erwähnten Personen lesen, um die Ungeheuerlichkeit von Atzmons Vorwurf zu realisieren. Er schreibt ja selber, dass wir alle die verschiedenen Aspekte des Judeozid-Missbrauchs durch Zionisten kritisieren. Also was bleibt ihm an uns auszusetzen? Dass wir  alle "orthodoxe observants" (orthodoxe Gläubige) seien. An welche Religion sollen wir gemäss Atzmon denn glauben? Bestimmt nicht an die Religion, die wir alle im unterschiedlichen Grad kritisieren. Bleibt also nur sein "Vorwurf", dass wir alle überzeugt sind, dass der NS-Judeozid stattfand.
Ich kann für die anderen erwähnten Personen nicht sprechen. Als langjähriger NS-Judeozid-Forscher überzeugen mich die Beweise der Juden-Vergasung absolut. Die Argumentation oder "Visionen" (mehrheitlich rassistische Halluzinationen) der Leugner dagegen gar nicht. Übrigens versuchte ich 2000 mit dem berühmten Holocaust-Leugner David Irving, der immerhin ein erfahrener Forscher ist, zu diskutieren. Der Versuch scheiterte kolossal und brachte bzw. trägt mir noch immer viel Ärger durch zionistische Ignoranten, wie beispielsweise den bekannten Publizisten Henryk M. Broder, ein.
Ich muss leider meinem Feind Karl Pfeifer recht geben, wenn er Atzmon wegen seiner Rechtfertigung für Hitlers antijüdische Politik angreift. Pfeifer brachte mir zwar auch viele
 Scherereien mit der "Entdeckung" meiner Mail an Irving, wenn er aber, wie im Fall Atzmon, recht hat (was nicht so oft vorkommt), dann hat er eben recht. Nur weil er etwas schreibt, muss es nicht a priori falsch sein.
Pfeifer schreibt:

«Nun begibt sich Gilad Atzmon nicht zum ersten Mal in die Niederungen neonazistischer Argumentationen. Er hat auf seiner Website am 25.3. 2010 einen Artikel Judea declares War on Obama publiziert, der die alte rechtsextremistische Legende aufwärmt, wonach es bewiesen sei, dass „die Juden“ Deutschland den Krieg erklärt haben. Als „Beweis“ wird die Schlagzeile „Judea declares war on Germany“ der britischen Boulevard-Zeitung Daily Express vom 24. März 1933 gebracht. Und weil „die Juden“ Krieg erklärt haben, tragen sie laut Atzmon die Verantwortung, für das was ihnen angetan wurde.
Gilad Atzmon Originalton:
“Sicher halten sich jüdische Lobbies nicht zurück, wenn es um die Erpressung von Staaten, Weltpolitikern und sogar von Supermächten geht. Das Benehmen von AIPAC (amerikanische Israel Lobby) letzte Woche erinnerte mich an die 1933 erfolgte jüdische Kriegserklärung an Deutschland.
Nicht vielen Menschen ist bekannt, dass im März 1933, lange bevor Hitler der unbestrittene Führer Deutschlands wurde und begann die Rechte deutscher Juden einzuschränken, hat der American Jewish Congress eine große Protestversammlung in Madison Square Gardens einberufen und zu einem amerikanischen Boykott deutscher Waren aufgerufen. […]
Wie immner, es ist schwer die Ähnlichkeit zwischen dem Benehmen von AIPAC letzte Woche und dem Benehmen des Jewish American Congress 1933 wissentlich zu ignorieren.
Am 24. März 1933 veröffentlichte
The Daily Express (London) einen Artikel der bekanntgab, dass die Juden bereits ihren Boykott gegen Deutschland begonnen haben und einen kommenden “Heiligen Krieg” ankündigten. Der Express ermahnte die Juden überall Deutsche Waren zu boykottieren und aktiv gegen deutsche Wirtschaftsinteressen zu demonstrieren. Der Express sagte, dass Deutschland “nun mit einem internationalen Boykott seines Handels, seiner Finanzen und seiner Industrie … in London, New York, Paris und Warschau konfrontiert ist; jüdische Geschäftsleute sind vereint einen wirtschaftlichen Kreuzzug zu beginnen.“
Jüdische Texte tendieren dazu, die Tatsache zu übersehen, dass Hitlers Befehl vom 28. März 1933, der einen Boykott jüdischer Geschäfte und Waren vorsah, eine Eskalation in direkter Antwort auf die Kriegserklärung gegen Deutschland der weltweiten jüdischen Führung folgte. Tatsächlich ist die einzige jüdische Enklave, die bereit ist die historische Reihenfolge der Geschehnisse anzuerkennen, die zur Vernichtung des europäischen Judentums führte, die antizionistissche jüdisch orthodoxe Sekte, die bekannt ist als die Torah Juden.“[2]

http://www.hagalil.com/archiv/2010/04/04/atzmon/

 

In diesem Text schliesst sich Atzmon an die neo- bzw. -altnazistische Argumentation, die Hitlers grausame Politik gegen Juden als eine Art Verteidigungskrieg bzw. Abwehr ansehen will.
Hier ein Link zu einer historischen Auseinandersetzung mit diesen bereits oben erwähnten vermeintlichen "jüdischen Kriegserklärungen" http://www.h-ref.de/feindbilder/juedische-kriegserklaerungen/daily-express.php
Es ist wichtig zu betonen, dass es tatsächlich berechtigte jüdische Boykottbestrebungen gegen Nazi-Deutschland gab. Es ist nicht nur so, dass diese isolierten Aktionen auf keinen Fall eine Rechtfertigung für Hitlers antijüdischen Massnahmen waren, sondern es war gerade die zionistische Führung, die diese Boykottbemühungen sabotierte, und zwar durch ihr sog. Transferabkommen (Haavara) mit den Nazis 1933. Die Jewish Agency wurde, aus Interesse an bitter notwendigem Kapital, durch diese Abmachung zum Hauptimporteur deutscher Waren in ganz Nahost. Die Verhandlungen, die zu diesem Abkommen führten, können als Geburtsstunde der 'Holocaust-Industrie' betrachtet werden. Damals wurden die Prinzipien und Strukturen entwickelt, welche die spätere jüdische Reparations- und Restitutionskampagne prägen sollten. Diese Entwicklung erfolgte nicht zuletzt wegen der Teilnahme einiger Hauptakteure des Transfergeschäfts an den späteren Entschädigungsverfahren. Aber so weit reichen Atzmons historische Kenntnisse offensichtlich nicht aus.
Selbstverständlich gibt es eine Fülle von weiteren rassistischen Atzmon-Zitaten. Ein unwesentlicher Teil davon richtet sich gegen gestandene und langjährige jüdische  antizionistische Aktivisten, wie beispielsweise gegen Prof. Moshe Machover, den verdienstvollen Mitbegründer der legendären israelischen antizionischen Organisation Matzpen. Diese Attacken Atzmons sind von purem Judenhass erfüllt und sprengen eindeutig die Grenzen einer legitimen sachlichen Kritik an verschiedenen Personen, Organisationen und Positionen. Atzmon unterstellt uns allen (auch ich bin Zielscheibe solcher rassistischer Ergüsse), dass wir primär eine jüdische Zielsetzung verfolgen und dass es ein immanenter Widerspruch zwischen "jüdisch und links sein" gäbe. Gibt es solche Widersprüche bei Angehörigen von anderen Ethnien? Besonderer Zorn erwecken bei Atzmon jüdische Organisationen, die sich gegen die Unterdrückung der Palästinenser und für deren Rechte einsetzen. Atzmon und einige in seiner Gefolgschaft möchten in solchen jüdischen Organisationen und Personen den Hauptgrund für die Schwäche der Palästina-Solidarität-Bewegungen sehen.
In meiner fast 40-jährigen politischen Tätigkeit (auch in Israel) war ich nur für eine sehr kurze Zeit in einer rein jüdischen Organisation tätig. Ich habe viel Kritik an solchen und anderen Vereinen, die ich kenne, und trotzdem erachte ich es als ganz wichtig, dass es diese jüdischen Bewegungen und Stimmen gibt. Ich weiss nicht, welche Absicht genau Atzmon mit seiner Einstellung verfolgt.

Shraga Elam
Israelischer Journalist und Friedensaktivist
Zürich/Schweiz
P.S. Meine Kritik richtet sich selbstverständlich nicht nur an Sie, sondern an alle jene, die ihren Einsatz für den gerechten Frieden in Nahost mit solchem rassistischem Gedankengut beschmutzen und unglaubwürdig machen, wie z.B. auch die "Gesellschaft Schweiz-Palästina"  durch ihren Ableger "Café Palestine Zürich", welches letzthin für Atzmons Benefiz-Konzert als Gastgeber fungierte.

--------

Nachtrag (17.11.2011)



Da ich eine kritische Reaktion auf die Atzmon-Analyse erhielt, fühle ich mich genötigt, hartnäckigen Atzmons-Fans und seiner Holocaust-Leugnung meine Argumentation deutlicher zu machen.
Ein jüdischer Aktivist, dessen Vater Auschwitz überlebte und den ich eigentlich schätze, schrieb mir: «Ich erkenne bisher keine Holocaust-Leugnung. What's the fuss about?»

Meine erste spontane Reaktion war: Dem ist nicht zu helfen. Im zweiten Gedanken habe ich mir überlegt, dass er sicherlich nicht die einzige so denkende Person ist, sondern es bestimmt noch weitere Friedensbewegte, Linke usw. gibt, die zwar sehr borniert und dogmatisch agieren (dies ist bekanntlich nicht ganz neu), es aber sehr gut meinen und dabei der gerechten Sache enorm schaden. Das Gegenteil von gut ist gut gemeint, besagt denn auch ein deutscher Spruch. Insofern lohnt es sich also vielleicht doch, dass ich einen weiteren Erklärungsversuch wage:

Ich wiederhole mich ungern, es stellt sich jedoch die Frage, was Atzmon uns "Holocaust-Religionsgelehrten" vorwirft. Die Antwort ist sonnenklar:

Wir weigern uns, den NS-Judeozid in Frage zu stellen bzw. zu leugnen.

Atzmon schreibt deutlich:

«Most of the scholars, if not all of them, do not challenge the Zionist narrative, namely Nazi Judeocide...»
Auf Deutsch:

«Die Mehrheit der [Holocaust-Religions-] Gelehrten, wenn nicht gar alle, stellen den zionistischen Narrativ, nämlich den NS-Judeozid, nicht in Frage

Es geht hier nicht um eine blosse Feststellung, sondern um einen richtigen Vorwurf. Hinzu kommt, dass Atzmon den NS-Judeozid als einen lediglich zionistischen Narrativ bezeichnet. Was bedeutet dies? Dass angeblich nur Zionisten die NS-Verbrechen als Genozid betrachten und Atzmons "friedliebendes" Publikum ganz genau weiss, was von zionistischer Geschichtsschreibung pauschal zu halten ist. Also sagt Atzmon im Klartext: Der NS-Judeozid ist eine zionistische Erfindung!

Das Unwort Narrativ hat sich übrigen durch die sogenannten post-modernen Philosophen eingebürgert und beruht auf ihrer Behauptung, man könne die Wahrheit nie erfahren. Und sollte  man sie doch finden, könne man nicht absolut sicher sein, sie auch wirklich begriffen zu haben. Insofern gibt es gemäss der Post-Moderne nur Narrative, also Erzählungen, die eigentlich nie zuverlässig sind.

Zu einem anderen Sachverhalt: In seinem Grußwort an der Stuttgarter 'Ein-Staat'-Konferenz vom vergangenen Dezember sagte Atzmon u.a.:

«...irgendwie vergessen wir oder weisen die Tatsache von uns, dass das Wort „universal“ für die jüdische Kultur sehr fremd ist. Die jüdische Kultur ist stammesorientiert. Wir neigen dazu,die klare Tatsache zu übersehen, dass das Wort „Frieden“ – wie wir es kennen - eine ArtVersöhnung oder „Liebe deinen Nächsten“ für die jüdische Kultur sehr fremdartig ist

Israelis verwenden das Wort „Shalom“ – sicher haben Sie das Wort Shalom schon vorher gehört – doch Shalom bedeutet nicht Frieden: Tatsächlich bedeutet „Shalom“ Sicherheit für

Juden – und nur für Juden. Das ist ein großer Unterschied
http://www.ipk-bonn.de/downloads/ro.20110228.Gilad_Atzmon_in_STutt_11_2010.pdf



Wer Atzmon im O-Ton hören und sehen will kann ihn hier "geniessen":


Grundsätzlich ist dazu zu sagen, dass wer eine komplexe Religion bzw. eine Kultur (im ethnologischen Sinn) positiv oder negativ auf ein einziges Prinzip reduziert, ein Rassist ist. Die jüdische Religion umfasst, wie andere Weltreligionen, verschiedene und auch sehr gegensätzlich Strömungen, und dies betrifft auch das, was hier als jüdische Kultur bezeichnet wird. Ich habe Mühe mit jenen, die die jüdische Tradition als nur von Nächstenliebe (fälschlicherweise Humanismus genannt, als ob Bosheit nicht auch menschlich wäre) geprägt ansehen. Genauso aber missfällt mir, wie anderseits beispielsweise Israel Shahak oder noch stärker Gilad Atzmon, ebenso einseitig nur das Böse in der jüdischen Religion/Kultur sehen wollen.
In der jüdischen Religion gibt es zwei grosse Schulen, jene von Rabbi Hillel (menschenfreundlich und offen) und die von Rabbi Shamai (streng und menschenfeindlich).
Es ist nicht zu übersehen, dass diese zwei religiösen Strömungen auch säkulare Juden beeinflussen und dies noch immer tun.
Und es ist auch nicht zu übersehen, dass eine auffallend grosse Anzahl jüdischer Menschen sich für universelle Werte einsetzten bzw. einsetzen. Diese Leute haben im unterschiedlichen Mass ihr Jüdischsein betont. Wenn sie es nicht taten, wusste die Gesellschaft sie daran zu erinnern. Auch Atzmons deutsche Verehrerin, Evelyn Hecht-Galinski, wird nicht müde, ihre "eigene" grösste Leistung zu erwähnen, nämlich, dass sie die Tochter des verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist.
Wenn Atzmon, der selber auch von seinem Jüdischsein profitiert, diese universalistische jüdische Vergangenheit und Gegenwart verleugnet und nur die jüdischen Hardliner hervorhebt, ist er bewusst sehr weit von der Wahrheit entfernt. Es ist recht überraschend, dass viele belesene und gut informierte Leute, die angeblich anti-Rassisten sind, eine solch plumpe und krude Judeophobie nicht zu erkennen vermögen.

Atzmon tut mit der jüdischen Kultur genau das, was Henryk M. Broder gegenüber der islamischen bzw. arabischen Kultur macht. Eigentlich handelt es sich hier um rassistische Zwillinge, und ich habe die Ehre, beide als Feinde zu haben.

Atzmons Lektion in Hebräisch über die Bedeutung des Wortes Shalom ist genauso bewusst verfälschend, wie seine obige Schilderung der "jüdischen Kultur". Zweifelsohne hat das Wort "Shalom", wie das "Frieden" auf Deutsch oder "Peace" auf Englisch, unterschiedliche Bedeutungen. Dies ist wirklich nicht speziell für Israel oder Hebräisch. Und weltweit verwechseln viele, die vom Frieden reden, diesen oft - absichtlich oder unabsichtlich - mit negativer Befriedung oder anderen unterdrückerischen Zuständen.

Man brauchte wirklich nicht auf Atzmon zu warten, um beispielsweise den Oslo-"Friedensprozess" zu kritisieren und auch die mehrheitlich nicht so friedlichen Absichten israelischer "Friedensbewegungen" wie "Frieden Jetzt" zu erkennen. Trotzdem gibt es auch dort an der Basis Personen, die es gut meinen und die nicht realisieren, wie sie manipuliert werden.

Wenn man, wie Atzmon bzw. die Teilnehmer der oben erwähnt Stuttgarter Konferenz, vorgeben, wirklich für einen gemeinsamen demokratischen Staat zu sein, müssten sie unbedingt auch auf den Weg dorthin zeigen. Hasstiraden und Hetze anstelle von berechtigter Kritik und konstruktiven Vorschlägen aber, führen bestimmt nicht in diese sehr wünschenswerte Richtung.





.

4 comments:

  1. Ich habe nun das Buch "The wandering who" gelesen. Die Darstellung in diesem Blog ist verzerrend und feindselig. Die Forderung, Atzmon nicht mehr als Musiker (!) auftreten zu lassen, hat mit argumentativer Auseiandnersetzung nichts zu tun. Sie ist vielmehr der Versuch, einen Menschen zu zerstören, der mit Leib und Seele Musiker ist.

    ReplyDelete
  2. Shraga Elam,
    ist Karl Pfeifer wirklich Ihr Feind, oder nur Ihr Gegner?

    ReplyDelete
  3. Schauen Sie doch im Duden nach!

    ReplyDelete