Friday, February 12, 2010

Das Ende des Mythos Schweizer Bankgeheimnis


Die bisherige Praxis, dargelegt anhand der Fälle Bank Leumi Le-Israel (Schweiz), IG Farben/SBG und WashingtonerAbkommen von 1946

Gerade als von den USA, Frankreich und Deutschland demonstriert wurde, dass vom Mythos um das Schweizer Bankgeheimnis (BG) nicht viel übrig geblieben ist, entflammte hierzulande eine heftige Kontroverse. Der Wirtschaftsjournalist Gian Trepp flachste schon vor Jahren, das BG sei löchrig wie ein Emmentalerkäse. Inzwischen hat das BG weit mehr Löcher als Käse. Einige Beispiele aus der Vergangenheit sollen in der Folge die bisherige BG-Praxis beschreiben.

Konservative Schweizer Kreise, wie z.B. um den Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel, sind sich nicht zu schade in ihrem peinlichen Kampf für das kleine BG-Restchen, die zynische und längst dementierte Legende zu rezyklieren, dieser Gesetzesartikel sei angeblich zum Schutz von durch Nazis verfolgten Menschen geschaffen und angewendet worden. Die belegbare Politik der Schweizer Banken gegenüber Shoa-Opfern und die bekannten geleisteten Hehlerei-Dienste an NS-Deutschland hinderte auch Köppels jüdischen Freund, den deutschen Polemiker Henryk M. Broder, nicht, seine Schweizer Arbeitgeberin, die Weltwoche, darin zu unterstützen.


Komplett verdrehte in diesem Zusammenhang auch der inzwischen verstorbene führende Wirtschaftsredaktor Beat Brenner in der NZZ vom 22.2.2008 die Befunde des britischen Wirtschaftsjournalisten, Mythos-Zerstörers und Kritikers der Schweizer Banken, Nicolas Faith, sowie jene des ehemaligen UBS-Haushistorikers Robert U. Vogler. Brenner glaubte, Faiths Erkenntnisse hätten den Schweizer Banken im Debakel um die nachrichtenlosen Vermögen geholfen.

Nebst bestehenden üblichen juristischen und politischen Massnahmen zur Aushöhlung des BGs, die ja von ausländischen Ämtern nicht immer genutzt wurden, wird jetzt auch öffentlich bewusst gemacht, dass wegen reellen oder vermeintlichen Whistleblowern der Mythos Bankgeheimnis nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.

Keine Bank der Welt ist imstande hundertprozentig zu verhindern, dass vertrauliche Kundeninformationen aufgedeckt werden. Das Gefahrenpotential durch unzufriedene bzw. entlassene Mitarbeiter, vor allem in Zeiten der Krise, ist sehr gross. Es gibt zwar verschiedene technische Massnahmen, die das Kopieren heikler Daten erschweren, ganz verunmöglichen können sie dies aber nicht (s. Beitrag im Schweizer TV – teilweise schweizerdeutsch gesprochen). Solches behauptet nicht einmal ein Fachmann, der sein Geld damit verdient, Banken gegen eben diese Gefahr zu schützen (http://www.hossli.com/articles/2010/02/07/eine-bank-hatte-sicher-mehr-bezahlt/ ). Ein Kundenberater beispielsweise muss Zugriff auch auf heikle Daten haben.
Die sofortige Sperrung bei einer Entlassung kann ja nicht rückwirkend funktionieren, denn ein schlauer Mitarbeiter wird sich rechtzeitig mit vertraulichen Informationen versorgen.

Eigentlich besassen Arbeitnehmer noch nie so viel Macht wie heute, und die Arbeitgeber sind gut beraten, ihre Angestellten anständig zu behandeln.

Das jüngste deutsche Beispiel zeigt, dass es nicht einmal einen real existierenden Whistleblower braucht, um den Mythos des BG endgültig zu zerstören.

Niemand scheint Beweise dafür zu haben, dass die deutsche Regierung nicht blufft. Das ungewöhnliche Vorgehen der dortigen Behörden sorgt für allgemeine Verunsicherung, sowohl bei Bankkunden in Deutschland und anderswo, als auch bei Schweizer Bankern. Bislang beschafften sich auch deutsche Amtsstellen zuerst die begehrten Dateien, und erst dann gelangten sie damit an die Öffentlichkeit. Ihre Vorankündigung ist also ungewöhnlich, und von der Sachlage her könnte dies sogar dazu führen, dass der mysteriöse angebliche Verkäufer/Whistleblower im letzten Moment kalte Füsse kriegen oder dass ihm etwas zustossen könnte.

Der Abschreckungseffekt – ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt der jüngsten deutschen Meldungen – ist enorm gross.

Steuerhinterzieher müssen suizidale Tendenzen haben, wenn sie die Schweiz – trotz allen bisherigen Warnsignalen als safe haven benutzen wollen/wollten. Und all jene, die den helvetischen Finanzinstitutionen vertrauten, müssen sich schleunigst um Schadensbegrenzung bei ihren jeweiligen Steuerbehörden bemühen oder pokern, dass sie nicht betroffen sind.

Es muss zudem berücksichtigt werden, dass es noch mehr Quellen für Kundendaten gibt, nämlich z.B. Gerichtsakten. Dies beweist die Affäre der Bank Leumi, der Schweizer Tochtergesellschaft der israelischen Grossbank Leumi. Aus dieser Fundgrube konnte ich 2003 vier australische Kunden aufdecken, deren Fall bis heute die dortigen Medien beschäftigt. Von der Enthüllung ausgehend wurden inzwischen einige Bücher publiziert, und kürzlich strahlte ein australischer TV-Sender darüber sogar einen pikanten Spielfilm, der grosses Echo hervorrief, aus.

Der Fall zeigt auch, dass unter bestimmten Umständen – wenn gewisse politische Interessen da sind – die Schweizer Behörden auch ohne spezielle Notlage von sich aus das theoretische BG aufheben und aus eigener Initiative geheime Informationen an fremde Staaten liefern können. Dies, obwohl sich bei besagtem Fall der erste Schritt lediglich auf einen Presseartikel stützte, dessen Grundlage aus illegalen Quellen hätte stammen können, also den mir zugespielten Prozessakten (damit will ich jedoch nicht sagen, dass meine Informanten illegal handelten).

Das Hauptproblem dieser Rechtshilfe lag darin, dass, da im Allgemeinen juristische Prozesse in der Schweiz sehr lange dauern können, mehr als zwei Jahre verstrichen vom Moment an, als Australien eine sog. spontane Rechtshilfe angeboten wurde, bis die relevanten Dokumente endlich offiziell transferiert wurden. Fairerweise ist zu erwähnen, dass ein Teil der Verzögerung am Unvermögen der australischen Behörden lag, die zuwenig Kenntnisse des Schweizer Justizsystems zeigten. Das eingereichte australische Gesuch war schlecht formuliert und bot eine schwache Grundlage, in diesem Fall das BG ganz aufzuheben. Trotzdem zeigte sich nicht nur die Zürcher Staatsanwaltschaft überkooperativ, auch das Zürcher Obergericht, sowie das Bundesgericht und das Bundesamt für Justiz waren sehr zuvorkommend. Die Entscheide all dieser Instanzen lassen viele Fragen offen und deuten auf eine freiwillige Abschaffung des BG in diesem Fall. Anderseits zeigt er, dass die australischen Behörden und die Regierung sehr populistisch und ohne grosse Sachkenntnisse anfänglich gegen das Schweizer BG polemisierten, anstatt ihre Hausaufgaben zu machen.

Auch die deutschen Behörden haben selten die Rechtsmittel benutzt, die ihnen zur Verfügung stünden. 2007 schrieb beispielsweise der Spiegel, wie der Filmproduzent Atze Brauner ein grosses Darlehen von Bank Leumi (Schweiz) bekommen habe, obwohl er praktisch wertlose Immobilien als Garantie anbot. Was im Artikel nicht zu lesen war, aber für Kenner klar ist: Brauner erhielt ziemlich sicher kein Darlehen, sondern er holte auf diese Weise das Schwarzgeld aus seinem Schweizer Konto mit Hilfe der Bank zurück. Denn dieser Geldwäsche-Mechanismus ist bekannt. Wenn die Schweiz in der Sache angegangen worden wäre, hätte sie in einem solchen Fall bestimmt Auskunft über ein allfälliges Konto erteilt.

Die australische Affäre ist auch insofern interessant, weil sich hier blindes und ungerechtfertigtes Vertrauen ausländischer Kunden in die Schweizer Diskretion manifestiert. Ein australischer Bankklient wurde auch von seinem Schweizer Anwalt in falscher Sicherheit gewiegt, dass seine Aussage vor einem Zürcher Staatsanwalt geheim und vertraulich bliebe. Dass nicht so selten auch in der Schweiz Gerichtsakten an die Öffentlichkeit geraten, verschwieg der betreffende Advokat, der sich danach durch das nachfolgende Rechtshilfeverfahren eine goldene Nase verdienen wollte.
Zuvor schon wurde derselbe Bankkunde, zusammen mit anderen, ebenfalls irregeführt, als ihnen versichert wurde, dass, wenn sie den legalen Besitz ihres Kontos einer schottischen Partnership überschrieben und sich selber lediglich als sog. wirtschaftliche Berechtigte (Beneficial Owner - BO) registrieren liessen, ihre Identität gegen aussen geschützt würde.

Dieses Konstrukt bot den Kunden jedoch keinen wirklichen Schutz (s. Bundesgerichtsentscheid im Amtshilfeverfahren, welcher die Lieferung von Daten an Australien schon 2001 ermöglichte; für Kenner war darin zudem die Identität des Kunden trotz Anonymisierung klar feststellbar). Als 2003 im Rahmen des weiter oben erwähnten Rechtshilfeverfahrens juristische Probleme auftauchten, wurde einem der Kunden auch noch die rechtliche Verteidigung verwehrt, weil er lediglich als BO figurierte. Bei einem anderen Klienten tauchten gravierende Probleme auf, nachdem dieser gestorben war und sein Schweizer Anwalt mit den Erben nicht kooperieren wollte; der Jurist zog damit den Verdacht auf sich, er bereichere sich am Vermögen des Verstorbenen.

Diese Haltung hat leider Tradition in der Schweiz: Denn ähnlich erging es nicht etwa den Erben von Shoa-Opfern (es handelte sich im Übrigen um eine viel kleinere Anzahl Erben als jüdische Restitutionsorganisationen und zahlreiche Medienberichte behaupteten), sondern vor allem Nazi-Tätern, die ihre Beute in der Schweiz versteckten. Nicht wenigen von ihnen wurde die Rückgabe ihres Raubgutes nach dem Krieg von ihren Schweizer "Vertrauensleuten" verweigert.

Grundsätzlich versuchte die Schweizer Regierung, solche deutschen Vermögen vor einer Beschlagnahme durch die Siegermächte zu schützen. Im Washingtoner Abkommen von Mai 1946 gab der Bundesrat dem ausländischen Druck nach und schaffte das BG teilweise ab. Ähnlich wie mit der Bergier-Kommission wurde eine Stelle eingerichtet, die Zugang zu allen Geheiminformationen haben durfte. Deshalb wurde das Washingtoner Abkommen von den hiesigen Medien und Politikern scharf angegriffen. Nicht selten aber wurden dann die umfangreichen Untersuchungsresultate gegen aussen trotzdem stark verwässert, wenn nicht gar verfälscht und geschönt. Dieses Schweizer Vorgehen war in der Regel erfolgreich, weil in den USA inzwischen ein ganz anderer politischer Wind wehte und der Druck auf die Eidgenossenschaft weitgehend verschwunden war. In der Folge blieben grössere Teile der deutschen Raubvermögen in der Schweiz und wurden in mehreren Fällen nicht an die NS-Besitzer zurückgegeben. Diese Manöver waren ein wesentlicher Grund für den Schweizer Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur durfte der Vater dieser eindrücklichen Erfolgsgeschichte, der ehemalige Direktor des damaligen Aussenministeriums, Walter Stucki, bis heute nicht richtig dafür gefeiert und gewürdigt werden. Übrigens wollte das Bundesarchiv die umfangreichen Untersuchungsresultate über Nazi-Vermögen in der Schweiz 1995 vernichten, und dies, nachdem die Affäre um die Rolle des hiesigen Finanzplatzes während der Nazi- Ära bereits ausgebrochen war!

Der grösste Fall, welcher dieses Muster aufweist, ist die Interhandel-Affäre. Es geht dabei um das Auslandvermögen des Mordkonzerns IG Farben, die durch die Schweizer Strohfirma IG Chemie (später Interhandel genannt) getarnt wurden. Zuerst wurden Gelder mit Hilfe von Schweizer Finanzleuten dem deutschen Fiskus entzogen. Später sollte der gleiche Tarnmechanismus das Vermögen vor einer Beschlagnahme durch die US-amerikanische Regierung bewahren. Anfänglich wollte sich der Schweizer Bundesrat nicht einmischen, später dann - durch einen undurchschaubaren Gesinnungswandel, welcher stark den Bestechungsverdacht erweckt - bekamen die hiesigen Bankiers plötzlich doch bundesrätlichen Schutz. 1948 war das Aussenministerium wegen eines Missverständnisses bereit, das BG gegenüber den USA in dieser Affäre sogar ganz aufzuheben. Zum Schluss, 1963, wurde der damalige US-Justizminister Robert F. Kennedy von der SBG, welche mittlerweile die Interhandel übernommen hatte, bestochen und der Streit wurde beigelegt. Die Geschichte ist damit aber noch nicht zu Ende. In den 90-er Jahren wurde das BG auch in diesem Zusammenhang für die Bergier-Historikerkommission aufgehoben. Die Befürchtungen der SBG, die inzwischen UBS hiess, erwiesen sich indes als unberechtigt, denn die Kommission machte eine Ausnahme und zeigte sich extrem UBS-freundlich: Alter Tradition entsprechend wusch sie die Grossbank, trotz stark belastender Beweise, weiss.


 

Kasten zum Fall Leumi:

Der Fall Leumi weist einige fast amüsante Züge auf. So wird diese Bank vom israelischen Staat kontrolliert, und trotzdem beweisen Akten, dass ausgerechnet hier nicht wenige Israelis ihre Schwarzgelder deponierten.

Dem öffentlich zugänglichen Urteil des Zürcher Bezirksgerichts kann man, auch in seiner anonymisierten Version, Kundenaussagen samt Kontonummern entnehmen. Die Klienten geben darin zu, Steuern hinterzogen zu haben. Die Richter formulierten den Zustand, dass praktisch alle ausländischen Kunden Steuerhinterzieher sind, diplomatisch aus:

« …auch wenn einzuräumen ist, dass es unter den Geschädigten vorgekommen ist, dass die auf dem Konto bei der Bank Leumi befindlichen Vermögenswerte den Steuerbehörden ihrer Heimat nicht bekannt waren (einige gaben es ausdrücklich zu, bei andern liegt dieser Verdacht auf der Hand)

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